23. Mykologische Exkursion 2012: Trüffel in Italien
Biologen sind leicht verrückt, soviel ist klar. Mit dem Flugzeug zur Pilzexkursion! Meistens geht es uns ja "nur" um Pilze in den heimischen Wäldern, aber manchmal gönnt man sich etwas Besonders:
Wir wollten echte Trüffel kennenlernen!
Trüffel sind geheimnisvolle, ziemlich teure Pilze, und der Traum echter Pilzfreunde. Volker wollte schon seit Jahren in die berühmten Trüffelgebiete nach Frankreich, aber wir hatten uns nicht recht getraut, vor allem wegen der Sprache. Dann stießen wir zufällig darauf, dass auch die Italiener Trüffel haben! Die weltweit besten sogar - das behaupten die Franzosen von ihren aber auch. Egal, Norditalien ist zumindest einfacher zu erreichen. Etwas Suche im Internet, Billigflieger (EasyJet) von Berlin nach Mailand gebucht, dazu ein kleines Mietauto und eine Ferienwohnung in der Kleinstadt Alba im Piemont.
Piemont ohne Kirschen
Piemont heißt "am Fuß der Berge" und ist eine touristisch fast vergessene, sehr schöne Region zwischen Mailand und Turin. Hauptsitz von Fiat und Ferrero. Und nein, die Piemont-Kirsche für Mon Chéri wächst dort nicht, die ist pure Erfindung der Werbung. Aber riesige Haselnuss-Plantagen gibt es, Grundlage von Nutella, Rocher, Hanuta usw., die ältere Tradition dürfte allerdings der Nusskuchen dort haben, enthält scheinbar 100% Nüsse, superlecker. Weinberge gibt es natürlich auch, klangvolle Namen wie Barolo, Barbaresco - ebenfalls lecker, wir haben gar nicht alle probieren können...
Piemont am Fuße der Alpen |
Hauptsächlich waren wir ja wegen der Trüffel da. Weiße Piemont-Trüffel sollen die besten sein, die teuersten wohl auch, und die gibt es genau dort und genau zu dieser Zeit. Deswegen ist immer an einigen Wochenenden im Oktober/November "Fiera del tartufo" in Alba, eine Verkaufsmesse in einem riesigen Zelt mitten in der Altstadt. Schon auf dem Weg dorthin scheint alles im Trüffelfieber zu sein, und es ist schwer, der Verführung zu widerstehen. Nicht nur Trüffel frisch oder konserviert und in allen möglichen Produkten (Öl, Butter, Käse, Salami, Pesto, Honig usw. usw.), auch die schon erwähnten Nüsse und Schokolade, überall sind kleine Bars und Cafés... jedenfalls beste Bedingungen für einen Genuss-Urlaub.
Trüffel ist nicht gleich Trüffel
Dass es schwarze und weiße Trüffel gibt, ist nur die halbe Wahrheit. Hier die kulinarisch wichtigsten Arten:
- Tuber magnatum Pico - (Weiße) Alba-Trüffel oder Piemont-Trüffel
- Tuber melanosporum Vitt. - (Schwarze) Périgord-Trüffel
- Tuber aestivum Vitt. - Sommer-Trüffel
- Tuber brumale Vitt. - (Schwarze) Winter-Trüffel oder Muskat-Trüffel
- Tuber uncinatum - Burgunder-Trüffel
- Tuber borchii Vitt. (= Tuber albidum Pico) - (Weiße) März-Trüffel
- Tuber macrosporum Vitt. - Großsporige Trüffel oder Knoblauch-Trüffel
Außerdem gibt es asiatische Tuber-Arten (sogen. China-Trüffel) und Wüsten-Trüffel aus Nordafrika. Letztere gehören zur Gattung Terfezia. Am häufigsten in Europa und noch einigermaßen bezahlbar sind die Sommertrüffel. Diese kann man gut konservieren (trocknen, einlegen, erhitzen) und sie halten sich auch frisch einige Zeit, ohne wesentlich an Aroma zu verlieren. Ganz anders die weißen, sogen. Alba-Trüffel. Sie duften und schmecken sehr viel intensiver, aber das verliert sich schon nach 2-3 Tagen, und man darf sie nicht erhitzen. Deswegen bekommt man sie nur frisch, d.h. etwa von Oktober bis Dezember. Allenfalls in Öl eingelegt oder in Butter kann man etwas von dem Aroma retten, aber das ist weit entfernt vom frischen Trüffel.
So viele Trüffel
Schwarze Burgunder- und Weiße Alba-Trüffel auf der Messe
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Weiße Trüffel (rechts im Bild) sehen eigentlich langweilig aus, hellgraue bis bräunliche Knollen, wie Pellkartoffeln ungefähr. Nichts von der Ästhetik, die viele "richtige" Pilze haben. Das Besondere ist der Duft, ganz klar, und der Geschmack natürlich. Ich hatte noch nie Trüffel probiert und war ziemlich überrascht. Es ist ein Geruch, den man nicht wieder vergisst, aber ich könnte ihn beim besten Willen nicht in Worte fassen. Mit Pilzgerüchen hat er definitiv nichts gemeinsam. Im ersten Augenblick fand ich ihn nicht mal angenehm. Es war ein winziger Laden und alles roch dort nach Trüffel, viel zu intensiv. Aber man gewöhnt sich schnell daran, nach ein paar Minuten wurde es immer angenehmer und wahrscheinlich macht das irgendwie süchtig.
Übrigens ähneln diese Duftstoffe den Pheromonen des Ebers, weshalb weibliche Schweine total darauf abfahren... Trüffelschweine wären von daher besser für die Suche geeignet als mühsam darauf trainierte Hunde, aber Schweine richten Totalschaden im Pilzmyzel an und fressen die gefundenen Trüffel auch gern selbst auf.
Man riecht sofort überall in den Läden, Gaststätten oder auf dem Markt, ob es Trüffel gibt oder nicht. Wenn man welche kaufen will oder auch nur interessiert guckt, kriegt man sofort eine Knolle unter die Nase gehalten. So prüft man Qualität und Frische. Und beim Essen hat der ganze Tisch was davon, wenn einer ein Alba-Trüffelgericht bekommt.
Lecker: Tajarin al tartufo bianco
Natürlich haben wir es probiert, frische weiße Trüffel! Sündhaft teuer, aber einmal muss das sein, wenn man schon hier ist und sich dafür interessiert. Es waren nur 3-4 Gramm Trüffel für jeden, die in hauchdünnen Scheibchen über die Bandnudeln ("Tajarin", ganz leckere Pasta mit viel Eigelb) gehobelt wurden, das genügt und schmeckt wirklich sehr gut. Dazu die passende Atmosphäre und die richtigen Leute, und Getränke nicht zu vergessen, ein perfekter Tagesabschluss.
Auf der "Fiera del tartufo"
Die Trüffelmesse war von den Eindrücken, vor allem von den Gerüchen her nochmal eine Dimension mehr. Wir waren viele Stunden drin, haben geschaut, geschnuppert, probiert... und viel fotografiert natürlich. An einem Stand wurden neben Pfifferlingen und wunderbaren Steinpilzen auch Kaiserlinge (Amanita caesarea, Extra-Seite folgt) verkauft, die wir aus Bulgarien kennen.
Probieren konnte man auf der Messe auch Flüssiges aus der Region, sieht meistens rot aus und verführte uns noch mehr als alle Trüffel zusammen! Wir hatten ganz vorsichtig mit kleinen Weinproben angefangen, bis uns das zu mühsam wurde und wir kurzerhand eine ganze Flasche kauften. Das taten viele, aber wir wollten sie gleich geöffnet haben! Schöne Atmosphäre am Sonntagnachmittag, nette Menschen, und - was uns Kerlen natürlich auffällt - wahnsinnig gut aussehende Italienerinnen... Passt zum Thema Genuss.
Nicht nur gucken - wir suchen Trüffel
nächtliche Trüffelsuche
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Was fehlt noch bei einer Trüffelexkursion? Die Trüffelsuche! Natürlich hat man als Tourist allein keine Chance. Vielleicht nimmt uns ein Profi mit in seinen Trüffelwald? Und man braucht einen Trüffelhund - kein Schwein, das ist in Italien verboten (s.o.). Beim Touristikbüro haben wir einfach gefragt, 35 Euro bezahlt und am letzten Abend brachte ein Kleinbus uns und noch einige interessierte Leute in ein Dorf zu einem alten Trüffelsucher mit seinem Hund.
Qualitätsprobe unter Fachleuten |
Der Hund wollte erstmal Streicheleinheiten von allen, dann ging es in das nahe Wäldchen. Klar, dass man uns nicht die richtigen guten Trüffelstellen gezeigt hat, und die gefundenen Trüffel hatte der gute Mann vorher dort verbuddelt, anders funktioniert es nicht. Im Touristikbüro hatte man uns fairerweise schon gesagt, dass es eine simulierte Suche ist. Aber Trüffelsucher und Hund waren echt, wir haben mal gesehen wie sowas läuft, wie der Hund über den Boden schnüffelt und plötzlich in der lehmig-kalkigen Erde zu scharren beginnt.
Trüffelhund (rechts) |
Dann macht Herrchen mit einer kleinen Hacke weiter und holt aus ca. 10cm Tiefe (oft liegen sie tiefer, 20-30cm) eine haselnussgroße Knolle: Tartufo bianco, ein weißer Trüffel. Ich schätze knapp 10 Gramm, das bringt 20-30 Euro auf dem Markt, größere Knollen etwas mehr. Alle dürfen mal schnuppern, Hund kriegt Leckerli, weiter geht's.
Noch drei Trüffel werden gefunden, auch schwarze. Ich bin nicht sicher, ob die beiden untereschiedlichen Arten nebeneinander vorkommen, aber wir wissen, es ist nur eine simulierte Suche und Touristen wollen etwas sehen. Mittlerweile ist es stockdunkel, schön geheimnisvoll... wenn unsere Blitzlichter nicht wären, und gut dass ich die Stirnlampe dabei hatte.
Volker, Micha und Helmut (v.l.n.r.) auf Trüffel-Exkursion in Italien.
Im Hintergrund Haselnuss-Plantagen für Ferrero. |
Ja, das war unsere 23. Mykologische Exkursion, sehr interessant und etwas ungewöhnlich. Wir haben sonst auch immer Spaß, machen nicht nur "trockene" Wissenschaft, aber diesmal stand eher der Genuss im Vordergrund. Die Umgebung macht's. Nächstes Jahr im Herbst wandern wir wieder durch heimische Wälder, im Harz vielleicht. Da gibt's erst Rotwein, wenn genug Pilze für das Essen im Korb sind.
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