|
Die Suche nach dem Kaiserling Bulgarien 2000
|
Exkursionsbericht
Pilze suchen in Bulgarien? Orchideen am Schwarzmeerstrand? Nahaufnahmen von Schlangen? Zugegeben, das klingt verrückt. Aber so sind Biologen eben. Nach vielen Jahren besuchten wir noch einmal "unser" Exkursionsgebiet in Südbulgarien.
|
|
Es war einmal... Geschichte der Bulgarien-Exkursionen
Biologische Exkursionen nach Bulgarien haben eine mehr als 25jährige Tradition. Die erste offizielle Studentenexkursion der Uni Rostock an die südbulgarische Schwarzmeerküste fand 1974 statt. Einer der Teilnehmer war damals der Biologiestudent Helmut Rönicke. Die Idee stammte wahrscheinlich von Günter Arlt, nachdem Pläne für Exkursionen nach Jugoslawien gescheitert waren. Bis 1990 fuhr das komplette 3. Studienjahr Biologie aus Rostock zusammen mit einer kleineren Gruppe Hydrobiologen der TU Dresden (die 2 Jahre Grundstudium in Rostock absolviert hatten) regelmäßig nach Bulgarien.
Der fachliche Inhalt variierte mit den Interessen der Betreuer und der Studenten, verschob sich aber besonders in den letzten Jahren von marinen mehr in terrestrische Bereiche. Das hing einerseits mit veränderten Schwerpunkten in der Ausbildung zusammen, andererseits auch mit der Verschlechterung der Wasserqualität im Schwarzen Meer.
Neun dieser Exkursionen wurden von Volker (Dr. Volkbert Kell) geleitet, der mit seinen reichen Erfahrungen nun, im Jahre 2000, seine 10. Bulgarienreise mit zwei ehemaligen Studenten unternahm. Neben dem bereits erwähnten Helmut (Dr. Helmut Rönicke) hatte ich, Micha (Michael Beyer, ebenfalls Biologe), die Gelegenheit, zum 4. Mal an die Schwarzmeerküste zu fahren. Ich war 1986 als Teilnehmer, 1988 als Hilfs-Betreuer gemeinsam mit Volker (Botanik) und Dr. Helmut Winkler (Fischereibiologie) und im Folgejahr zusammen mit meiner Frau Astrid eine Woche lang als Urlauber mit dabei.
|
Warum Bulgarien?
Das Ziel Bulgarien erklärt sich recht einfach: weiter nach Süden konnte man als "normaler DDR-Bürger" nicht, und das Schwarze Meer war so die einzige Alternative zur Ostsee, wenn man marine Biologie/Ökologie studierte.
Daß die Wahl auf den südlichen Teil der Küste fiel, war zunächst wohl Zufall, erst später stellte sich heraus, daß hier auch der terrestrische Bereich viele Besonderheiten bietet. Ein Blick auf die Vegetationskarte Europas zeigt, daß südlich von Bourgas (etwa ab Sosopol) entlang der Küste ein schmaler Streifen submediterraner Vegetation beginnt, der sich bis zur türkischen Grenze auf einige Kilometer verbreitert. Wann die ersten Gruppen begannen, das Hinterland zu durchstreifen, ist nicht bekannt, aber besonders in den letzten Jahren wurden dort zahlreiche interessante Pflanzen und Tiere gefunden, die eher für den Mittelmeerraum typisch sind. Die umfangreichsten floristischen Ergebnisse stammen meines Wissens von der Gruppe Berg/Messner aus dem Jahr 1984, deren Artenliste wurde in den Folgejahren immer wieder gern als Grundlage genommen. Die Pilze (Volkers Spezialgebiet) kamen erst in den letzten Jahren ins Spiel, darunter auch der schon von den alten Römern geschätzte Kaiserling (Amanita caesarea), den wir im Jahr 2000 wieder zu finden hofften.
Der Standort wechselte zwischen mehreren Campingplätzen südlich von Sosopol, in den letzten Jahren waren es die Orte Veseli, Smokinja und Kavacite (später zusammengefaßt "Smokinite") - einfache, ruhige Zeltplätze direkt hinter den Dünen. Wenige 100 m entfernt geht der Sandstrand in eine malerische und biologisch interessante felsige Steilküste über. Einige Kilometer südlich, dort, wo die Klippen enden, entstand damals das Feriendorf "Djuni" (manchmal auch "Düni" oder "Duni" geschrieben), wo wir 2000 über Neckermann unser Quartier buchten. Auch wenn hier ein wenig die Zelt- und Lagerfeuer-Romantik fehlt, ist das wahrscheinlich momentan die beste und sicherste Basis für solche Exkursionen. Allerdings steigen die Preise saisonabhängig wie die Temperaturen, die angenehmste Zeit ist wohl Ende Mai. Viele Einrichtungen öffnen aber erst im Juni oder Juli.
|
Nur Fliegen ist schöner... Reise damals und heute
Die ersten Exkursionen machten die Rostocker Studenten mit einem vom VEB Kraftverkehr Wittenberge gemieteten Reisebus. Hin- und Rückfahrt dauerten jeweils bis zu 5 Tagen. Für die Beweglichkeit vor Ort und den unkomplizierten Transport umfangreicher Ausrüstungen war das natürlich von großem Vorteil. Man konnte so fast beliebig viele Proben, lebende Fische und anderes Material mit nach Hause nehmen. Man erzählt sich, einige Studenten hätten mal versucht, einen Esel außer Landes zu schmuggeln...
Später fuhr man mit der Bahn, 2 Tage und 2 Nächte im Liegewagen, meist über Sofia, teilweise auch mit abenteuerlichen Abkürzungen und Umwegen quer durch das Land. Auch darüber könnte man viel erzählen. Geflogen wurde nur ausnahmsweise, als Student hatte man ja viel Zeit und wenig Geld. Heute fliegt man von Berlin nach Bourgas ganze 2 Stunden...
Leider ist es wohl die Regel, daß preiswerte Flüge am frühen Morgen starten. In unserem Fall ab Berlin-Schönefeld 9:00 Uhr, also gegen 7:30 einchecken, und um das zu schaffen, muß man in Rostock etwa 2 Uhr und in Magdeburg 4 Uhr mit der Bahn losfahren. Zwar gewinnt man dadurch fast den gesamten ersten Tag, ist aber hundemüde. Noch unmenschlicher gestaltete sich der Rückflug: 6:10 Uhr ab Bourgas, was bedeutet, vor 3 Uhr aufzustehen - oder gleich durchzumachen. Vielleicht wäre es "humaner", von und nach Leipzig zu fliegen, so erspart man sich auch das Berliner Bahn-Chaos (wir haben auf der Rücktour von Schönefeld bis Brandenburg länger gebraucht als von Bulgarien nach Deutschland...).
Die bulgarische Fluggesellschaft BALKAN fliegt mit TU 154 in etwa 2 Stunden von Berlin-Schönefeld nach Bourgas, Verpflegung und Getränke (Rotwein zum Frühstück) sind in Ordnung, nur die Zeit reicht nicht für sehr viele Nachbestellungen. In Bourgas wurden wir von NECKERMANN in Empfang genommen und in die entsprechenden Busse gesteckt. Den leisen Hinweis, daß das gebuchte Hotel "Laguna" noch geschlossen sei, nahmen wir nicht so ernst, ein anderes, ähnliches in der Nähe (wir dachten, auch in Djuni) wär uns auch recht gewesen. Der Name "Elenite" kam uns aber allerdings absolut nicht bekannt vor, da wurden wir schon stutzig. Als dann das Schwarze Meer auf der rechten Seite des Busses zu sehen war, wurde uns langsam klar, daß es in die falsche Richtung ging, ziemlich weit nach Norden, vorbei an Primorsko, Nessebar, Goldstrand, ungefähr 100 km. Wie fühlten uns ziemlich verschaukelt, die Stimmung sank auf den Tiefpunkt.
|
Elenite - all inclusive (Sonntag bis Dienstag)
In der Ferienanlage Elenite angekommen, versuchten wir, an der Rezeption unseren Protest loszuwerden, aber die konnten auch nicht helfen. Wir bezogen zunächst unsere Zimmer, was die Stimmung etwas verbesserte, dann hier gab es wirklich nichts zu meckern. Die ganze Anlage machte einen sehr netten, gepflegten Eindruck, die Betreuung war hervorragend, wir bekamen (wahrscheinlich zur Beruhigung) statt der gebuchten Halbpension volle Verpflegung - und nicht nur das: "all inclusive", was im Wesentlichen bedeutet, daß auch die Getränke nichts kosteten. Das kam uns natürlich sehr entgegen. Es dauerte aber einige Zeit, bis wir's begriffen hatten. Man mußte nur seine Gästekarte vorlegen, schon stand das Bier auf dem Tisch. Weiß- und Rotwein gab es der Einfachheit halber an einer "Zapfsäule" neben der Theke. Das Essen war selbstverständlich auch gut und reichlich.
|
|
Man hätte eigentlich zufrieden sein können, wenn wir als "Vollakademiker" (dieses tolle Wort hatten wir uns speziell für die Argumentation gegenüber Neckermann ausgedacht) nicht das wissenschaftliche Ziel gehabt hätten: die submediterrane Flora und Fauna im Süden zu erforschen. Für normale Urlauber ist Elenite durchaus zu empfehlen, aber Küste und Hinterland sind bei weitem nicht so schön und vielfältig wie zwischen Sosopol und Ropotamo-Mündung. Die Betreuerin von Neckermann sah das auch ein und versprach, daß wir am Mittwoch (3. Tag) nach Djuni in das Hotel Pelikan umziehen können - was tatsächlich klappte, ein Kleinbus brachte uns und eine Handvoll weiterer Touristen nach Djuni. Zwei Tage mußten wir aber noch in Elenite ausharren, was nicht unangenehm war, auch wenn so unser Programm etwas durcheinander kam.
Die knappe Zeit zwischen den Mahlzeiten in Elenite nutzten wir für kleine Wanderungen ins Hinterland, bewaldete Hügel mit kleinen Wiesenflächen, insgesamt nicht häßlich, aber relativ einförmig. Immerhin fanden wir am Wegesrand eine parasitisch lebende Orchideenart, den Dingel (Limodorum abortivum), eine in Mitteleuropa sehr seltene Pflanze. Auch das gelbblühende Liliengewächs Asphodeline lutea und die Gras-Schwertlilie (Iris graninea) waren uns einige Fotos wert.
Die Höhepunkte jedoch waren zwei Schlangen, die wir zu dritt so weit in die Enge treiben konnten, um mit Makroobjektiv und Ringblitz Aufnahmen machen zu können. Auf der ersten Wanderung war es eine Leopardnatter (Elaphe situla), die wir zunächst (auch wegen ihres agressiven Verhaltens) für eine Zornnatter hielten. Das Tier war recht klein (Leopardnattern werden bis 1 m lang) und anscheinend frisch gehäutet. Das Verbreitungsgebiet liegt eigentlich weiter südlich, Türkei, Süditalien, einige Mittelmeerinseln und Adriaküste, insofern ist dieser Fund mitten in Bulgarien eine kleine Besonderheit.
Für Nicht-Biologen: Nattern sind ungiftig, was aber nicht bedeutet, daß sie nicht beißen! Das tut nicht nur weh; was diese recht aggressiven Tiere zwischen den Zähnen haben und beim Biß evtl. in der Wunde hinterlassen, kann auch unangenehm werden.
Am 2. Tag fanden wir die "gefährlichste" (so steht es jedenfalls im Bestimmungsbuch) Giftschlange Europas, eine Hornviper oder Sandotter (Vipera ammodytes), die aber glücklicherweise selten beißt (eigentlich nur, wenn man drauftritt).
Auch von ihr gelangen uns Aufnahmen aus nächster Nähe - da wußten wir noch nicht, wie giftig die Hornviper ist. Typisches Merkmal ist das "Horn", eine kleine Spitze auf der Nase. Sie kommt in mehreren Unterarten auf der gesamten Balkanhalbinsel, in Nordostitalien und Südösterreich vor.
Am Rand der Ferienanlage Elenite gelangen uns noch einige Aufnahmen von einer Smaragdeidechse (Lacerta viridis meridionalis), die man in Bulgarien zwar häufig sieht, aber selten so nah vor die Kamera bekommt.
Die Wanderungen in das recht einförmige Hinterland von Elenite beschränkten wir auf Halbtagestouren, wir kannten uns hier ja nicht aus, hatten kein Kartenmaterial und wollten auch nicht zu spät zum nächsten Essen kommen. Nachmittags gönnten wir uns eine kleine Ruhepause und überbrückten die verbleibende Zeit bis zum Abendessen mit einigen Bierchen unter dem Sonnenschirm. Abends besuchten wir meist noch eine Bar (auch inklusive!) und schauten uns die Shows der Animatorengruppe an.
|
Endlich am Ziel (Mittwoch)
Djuni begrüßte uns mit ungewohnt kühlem, regnerischen Wetter. Mittags im frisch renovierten Hotel Pelikan angekommen, unternahmen wir gleich eine Wanderung entlang der Küstenstraße in Richtung Veseli-Smokinja und fanden nach einem kleinen Abstecher zu den Klippen auch sofort "unsere" Orchideenwiese.
Wie vor einem Jahrzehnt blühten hier massenhaft Pyramiden-Spitzorchis (Anacamptis pyramidalis), Gehörnte Ragwurz (Ophrys scolopax ssp. cornuta), eine einzelne Bienen-Ragwurz (Oprys apifera) und einige noch nicht ganz abgeblühte Exemplare des Purpur-Knabenkrautes (Orchis purpurea), welches wir damals nur mittels Aufweichen vertrockneter Blüten richtig identifiziert hatten. Daneben sahen wir weitere "alte Bekannte", z.B. das Sandelholzgewächs Osyris alba.
Heranziehende dunkle Wolken ließen uns den Rückzug antreten, allerdings ging der Zusammenhalt der Gruppe unterwegs verloren Während Helmut und Volker noch eine Bienenfresser-Kolonie und einen Rosenstar beobachteten, hatte Micha längst verzweifelt die Suche aufgegeben und wählte den kürzesten Weg über den Hügel, vorbei am Aussichtsturm, durch ein zufällig entdecktes Loch im Zaun direkt zum Hoteleingang. Genau rechtzeitig mit den ersten Regentropfen, die beiden andern kamen eine halbe Stunde später klatschnaß auf der Straße anmarschiert.
Inzwischen funktionierte auch die Wasserversorgung im Bad (anfangs waren mehr Handwerker als Gäste im Hotel), und wir konnten uns auf das Abendessen vorbereiten. Die Sorge, es könnte uns hier schlechter gehen als in Elenite, erwies sich als unbegründet. Nach dem reichhaltigen Essen gingen Volker und Micha unauffällig zur Theke, um die Rotweinversorgung zu organisieren. Der Barkeeper verstand sofort, holte eine 1,5-Literflasche mit der Aufschrift ("PAMID") - genau die Sorte von damals - entkorkte sie und drückte sie uns zusammen mit zwei Gläsern in die Hand. Die dumme Frage nach der Bezahlung verstanden die Bulgaren nicht. Langsam wurde uns klar: auch hier "all inclusive"...
|
Zu Fuß in Richtung Schlangeninsel (Donnerstag)
Noch ließ sich die Sonne nicht sehen, ideal also für eine ausgedehnte Wanderung. Direkt am Fuße des Hügels mit der Hotelanlage beginnt das Alepo-Sumpfgebiet, und weiter südlich liegt das Reservat Arkutino mit Schlangeninsel und Ropotamo-Mündung.
Die alte Küstenstraße innerhalb des Schutzgebietes wurde inzwischen für den Autoverkehr stillgelegt, Felsbrocken verhindern die Zufahrt, und eine neue Umgehungsstraße führt in einem weitem Bogen durch den Wald nach Arkutino. Oberhalb der Schlangeninsel fanden wir in allerbester Lage eine verlassene Baustelle mit verrostetem Kran, halbfertigen Betonplatten, einem großen und mehreren kleinen Gebäuden. Später erfuhren wir von einem Taxifahrer, daß hier bis vor 5 Jahren an einem Kinderferiendorf gebaut wurde, dann ging wohl das Geld aus.
Einen Ausflug auf die Schlangeninsel selbst (so heißt sie offiziell nicht, der Name wurde vermutlich erfunden, um Touristen abzuschrecken) unternahmen wir allerdings nicht. Die erreicht man nämlich nur schwimmend, was bei gutem Wetter kein großes Problem ist. Trotzdem gibt es dazu einige abenteuerliche Geschichten, die wir bei Gelegenhait auch noch festhalten sollten. Legal war das bestimmt nicht. Interessant auch, wie es uns damals gelang, die Fotoausrüstung trocken 'rüberzubringen. Lohnend war's in jedem Fall, denn auf dem Inselchen wachsen flächendeckend gelb und rot blühende Opuntien. Wie die Kakteen in diese Gegend kamen, ist nicht ganz klar. Irgendein Einheimischer erzählte, daß dort mal sowas wie ein botanischer Garten gewesen sein soll. Schlangen gibt es auf er sogen. Schlangeninsel übrigens nicht mehr und nicht weniger als anderswo an der Schwarzmeerküste. Überwiegend sind das die harmlosen Würfelnattern.
Auf dem Rückweg durchstreiften wir den Küstenwald, doch außer einer größeren Ansammlung der parasitischen Orchidee Dingel (Limodorum abortivum, Foto s. oben) und großen Cistrosenbeständen (Cistus villosus) ohne wesentliche Entdeckungen. An einer Sand-Abbruchkante fanden wir neben schönen Beständen der Dünenpflanzen Meerkohl (Crambe maritima) und Stranddistel (Eryngium maritimum) wieder Bruthöhlen von Bienenfressern, und Helmut als Ornithologe und Eiersammler freute sich über den vermeintlichen Fund eines Bienenfresser-Eies. Zu Hause wurde allerdings klar, daß es auf Grund der Färbung nicht von diesem stammen kann, möglicherweise aber vom am Vortag beobachteten Rosenstar, der gern in verlassenen Höhlen des Bienenfressers brütet - so oder so also ein wertvoller Fund.
Auch den Rest des Rückweges bewältigten wir zu Fuß, was in Bulgarien recht ungewöhnlich ist, immer entlang der Küstenstraße. Anschließend, während einer kleinen Objektbegehung (überall Baustellen) sprach uns eine nette Taxifahrerin (Musiklehrerin, wie sie erzählte, die das Studium ihres Sohnes mit Taxifahrten im Sommer finanzierte) an, damit war das Transportmittel für den nächsten Morgen schon klar.
|
Auf unseren Spuren (Freitag)
Wie versprochen wartete nach dem Frühstück die Musiklehrerin mit dem Taxi Taxi an der Einfahrt und brachte uns zum wohlbekannten Campingplatz Kavacite, wo wir die Wanderung ins Hinterland begannen. Ziel war ein Waldstück, wo Volker mehrfach Kaiserlinge gefunden hatte. Pilze fanden wir tatsächlich, darunter den Hainbuchenröhrling, der unseren Birkenpilzen ähnelt, hier aber an die Hopfenhainbuche gebunden ist. Von Kaiserlingen war leider nichts zu sehen. Dafür gab es viele Rote Gitterlinge (Clathrus ruber), Verwandte der Stinkmorchel, an denen wir uns fotografisch "austoben" konnten.
Die sanften Hügel hinter der Bucht von Kavacite haben einen besonderen Reiz. Wenn man die wenigen Kilometer Waldweg mit leichter Steigung absolviert hat, bietet sich ein ein wunderschönes Panorama: im Norden Sosopol, dahinter bei guter Sicht die Bucht von Bourgas, im Westen vor der nächsten Hügelkette ein kleines, verträumtes Dorf, das wir als Studenten mehrfach besucht haben, und im Osten das Schwarze Meer. Und diese Ruhe! Vermutlich waren wir - damals wie heute - die einzigen Touristen, die sich jemals hierher verirrt haben...
Auf den Hügeln verlieren sich die Wege fast immer irgendwo in den undurchdringlichen Christusdorn-Büschen. Als Wanderer fühlt man sich manchmal von den stacheligen Monstern eingekreist, plötzlich sieht alles gleich aus und man findet den Rückweg nur mit Mühe und vielen Kratzern. Diesmal ließen wir es nicht soweit kommen und traten gegen Mittag den geordneten Rückzug an. Der Weg führte uns wieder zur schon bekannten Kolonie der Bienenfresser, wo wir die bunten Vögel auch gut beobachten konnten. Helmuts Aufnahmen waren aber - verglichen mit dem, was man im Feldstecher gesehen hatte - recht enttäuschend. Man sollte doch immer ein langes Teleobjektiv dabei haben. Zum Hotel wählten wir diesmal den kurzen Weg über den Hügel. Helmut stieg noch ganz hoch auf den luftigen Aussichtsturm, um Fotos zu machen.
Am Nachmittag, während Volker etwas ruhte, suchten Helmut und Micha eine nahe gelegene felsige Bucht zum Schnorcheln auf. Der Abstieg von der Straße war etwas beschwerlich, aber der gewählte Platz sehr schön. Leider war die Sicht unter Wasser sehr enttäuschend (schätzungsweise 2 m Sichttiefe), trotzdem konnten wir viele Fische, Krabben und vor allem Ohrenquallen beobachten. Das Wasser war noch recht kalt, Micha war sehr froh, seinen Neoprenanzug mitgebracht zu haben. Gut, daß wir die Unterwasserkamera zu Hause gelassen hatten, das hätte sich bei der Trübung nicht gelohnt. Helmut berichtete von phantastisch klarem Wasser und von großen Taschenkrebsen, die man früher am Grund bzw. auf den Felsen sehen konnte. Vor 10 Jahren, als Micha als Student hier war, sah es schon wesentlich schlechter aus, vor allem fand man damals oft Öl- und Teerspuren im Wasser und am Strand. Jedenfalls war nun klar, warum an der Bulgarischen Schwarzmeerküste keine einzige Tauchbasis zu finden ist.
Im Hotel fanden wir Volker sichtlich gut erholt bei einigen Getränken auf der Terrasse sitzend. Er hatte eine kleine Dienstberatung vorbereitet, und nach der Tagesauswertung unterzogen wir die gerade eröffnete Freiluftbar in der Mitte der Hotelanlage einem ersten Test, der sich, nur unterbrochen vom Abendessen, bis gg. Mitternacht hinzog.
Micha konnte es trotzdem nicht lassen, durch das vorher erkundete Loch im Zaun zu kriechen und auf den Hügel zu steigen, um den Sonnenuntergang zu Fotografieren. Da auch in Bulgarien die Sonne normalerweise im Westen, in diesem Fall also über Land untergeht, entschloß er sich, vom selben Platz am nächsten Morgen den Sonnenaufgang über dem Schwarzen Meer zu verfolgen, so wie er es früher bei jeder Exkursion mindestens einmal getan hat.
|
Drei Wünsche auf einmal (Samstag)
Gleich drei Ziele hatten wir uns für diesen letzten Tag vorgenommen, und Micha sogar noch ein viertes: den Sonnenaufgang. Gegen 5.30 Uhr (fast eine halbe Stunde zu früh) hockte Micha schon auf dem höchsten Punkt des Hügels, die Kamera am rostigen Aussichtsturm festgeschraubt. Als Lohn für das frühe Aufstehen gab es auch einen richtig schönen Sonnenaufgang zu fotografieren. Anschließend im traumhaften Morgenlicht ein kleiner Umweg über die Klippen, ein Blick auf die Bucht von Kavacite, einige Fotos von der Hotelanlage, Wecken der Kollegen, Frühstück.
Das erste Ziel an diesem Tag war der Ropotamo, ein Fluß, der einige Kilometer südlich von Djuni mündet. Das war uns damals immer eine Tagestour wert gewesen. Die meisten Studenten gingen zu Fuß, mancher erwischte einen Bus, die Mädels trampten meist. Weil wir den schönsten Teil des Weges entlang der Küstenstraße im Reservat Arkutino schon abgearbeitet hatten, nahmen wir diesmal ein Taxi, das uns auf der neuen Straße schnell zur Anlegestelle an der Ropotamo-Brücke brachte. Die Boote fuhren allerdings noch nicht, so daß wir uns auf einen kleinen Rundgang beschränkten. Unter der Brücke ließen sich schön die Sumpfschildkröten und Würfelnattern beim Sonnenbad fotografieren. Ein ornithologisches Highlight: ein Schwarzstorch kreiste über den Bäumen, mit dem Fernglas gut zu sehen, aber Helmuts Belegfotos lassen trotz des langen Objektivs kaum etwas erkennen.
Das Taxi hatte auf uns gewartet, sonst wäre schwer wegzukommen gewesen. Der Fahrer, obwohl hier beheimatet, kannte noch nicht den Aussichtspunkt an der Straße zurück zur Küste, wo man einen wunderschönen Blick auf den Unterlauf des Flusses mit seinen Auwäldern und auf die Graudünen hat. Nach einer kurzen Pause dort und den obligatorischen Fotos fuhren wir bis nach Kavacite, um einen erneuten Vorstoß in die Hügelkette zu unternehmen. Die eigentliche Mündung wäre auch einen Besuch wert gewesen, aber noch eine Zwischenstation wollten wir unserem geduldigen Taxifahrer nicht zumuten.
Wir stiegen direkt vor "unserem" Zeltplatz aus, der sich übrigens nicht verändert hat. Das ganze Gelände weiß vom Pappel-"Schnee", das weckte Erinnerungen... Nur ziemlich leer sah alles aus, die Saison beginnt auch hier erst im Juni.
Wir fanden diesmal den richtigen Weg zu einem Silberlindenwald, wo Volker früher oft massenhaft Glattstielige Hexenröhrlinge gefunden hat. Davon war leider nichts zu sehen, Pilze sind unberechenbar. Dafür entdeckten wir aber am Wegesrand wieder viele leuchtend rote Gitterlinge (Foto s.o.) in allen Entwicklungsphasen, wieder eine Gelegenheit für unendlich viele Fotos. Ein paar Hexeneier nahmen wir mit nach Hause, um Familien und Kollegen zu erfreuen. Micha freute sich über eine für ihn in dieser Gegend neue Orchideenart, das Bleiche Waldvöglein (Cepalanthera damasonium). Damit beendeten wir auch diese letzte Exkursion. Zurück hätten wir zwar laufen können, es war noch früher Nachmittag, aber wir hatten noch ein typisch touristisches Ziel abzuarbeiten: Einkaufen in Sosopol. Ein Taxi sammelte uns am Zeltplatz auf und brachte uns direkt zum Hotel.
Bisher war es uns nicht gelungen, irgendwo Geld auszugeben, von wenigen Lewa Taxikosten abgesehen. In den Hotels war alles kostenlos, Souvenir-Shops noch geschlossen, selbst Ansichtskarten waren erst am letzten Tag zu haben. Aber man möchte ja irgenwas mit nach Hause bringen. Also fuhren Helmut und Micha am späten Nachmittag noch nach Sosopol, wieder mit dem Taxifahrer vom Ropotamo. Micha überredete ihn, die längere, aber landschaftlich reizvolle Küstenstraße zu nehmen. Dort sind wir als Studenten oft gewesen. Viele werden sich noch an den damals schon notdürftig reparierten "Galgenbaum" auf dem Hügel hinter den Klippen erinnern. Der ist vor einigen Jahren bei einem Gewittersturm endgültig umgefallen.
Zu Sosopol ist nicht viel zu berichten, die liebevoll restaurierte Altstadt mit den typischen Häusern ist nach wie vor sehenswert, Einkaufsmöglichkeiten gibt es weniger als früher, aber das wird in der Saison sicher anders sein. Von der typischen braunen Keramik war kaum etwas zu finden, dafür aber jede Menge Kram, den man überall auf der Welt bekommt. Helmut kauft auf jeder Reise ein Messer und wurde auch hier fündig. Micha nahm eine kleine Blumenvase mit, zum Abschluß gab es noch ein schönes kühles Bier und eine Portion kleiner gegrillter Fische, alles äußerst preiswert. Rückzug und immer noch die Taschen voller Geld... Unser Taxi hatte wieder gewartet, so daß wir nach dem "Shopping" schnell und entspannt wieder ins Hotel kamen.
Volker hatte inzwischen die Damen an der Hotelrezeption in die Spur geschickt, um genug Deutsche Mark aufzutreiben, damit wir unsere am Flughafen in großzügiger Menge getauschten Lewa wieder loswurden. Auch das gelang irgendwie, so daß wir nach dem Abendessen in aller Ruhe die bewährten Plätze an der Bar besetzen und die Reise bei einigen Gläsern Bier und Rotwein ausklingen lassen konnten. Leichtsinnigerweise fragten wir, was die Bulgaren normalerweise trinken: Rakia, das ist ein starker, durchaus angenehmer Traubenschnaps, den wir ab und zu schon probiert hatten. Wir ließen uns überreden... "Sto Gramm", damit hat man 'ne Weile zu tun und bestellt nicht so oft nach.
|
Abreise für Frühaufsteher (Sonntag)
Den Abend gestalteten wir kürzer als sonst, denn gg. 3 Uhr sollte die Nacht zu Ende sein. Dank mehrerer Wecker und Anrufe des Personals waren wir pünktlich an der Rezeption, nahmen jeder einen dicken Frühstücksbeutel in Empfang und wurden per Taxi zum Flughafen Bourgas gebracht. Viel zu früh, wir hätten 2 Stunden länger schlafen können. Bei Sonnenaufgang bestiegen wir die TU 154 und kamen kurz nach 7 Uhr in Schönefeld an. Nun kam der schwierigste Teil: die Bahnfahrt. Verspätungen, Zugausfälle... Volker fand wohl nach etwas Wartezeit enen direkten Zug nach Rostock, Helmut und Micha kamen nach mehrfachem Umsteigen zunächst bis Brandenburg, dann bis Burg, wo sie sich per Auto abholen lassen mußten.
|
Wir kommen wieder!
Eine Zusammenfassung mit den üblichen Angaben zu Kilometern, Litern Rotwein und Wurstdosen entfällt diesmal. "All inclusive" war eine ganz neue Erfahrung, keine schlechte, aber es lenkt doch ewas von den eigentlichen Exkursionszielen ab. Unabhängig davon war das sicher nicht unsere letzte Tour nach Bulgarien, auch mit Familie oder in einem größeren Kreis könnte man das wiederholen. Vielleicht finden wir dann auch mal Kaiserlinge, jene Pilze, die eigentlich der Anlaß dieser Exkursion gewesen waren.
M. Beyer 2000/2001
|
|
|
|
|
|